Per Nørgård

*  13. Juli 1932

von Lutz Lesle

Essay

Das Spannungsverhältnis zwischen polaren Kräften zu erforschen und den „unendlichen Beziehungen zwischen den Dingen“ nachzuspüren, bezeichnet Nørgård als Triebfedern seines Schaffens. Für sein dialektisches Denken kennzeichnend ist es, dass er in den Äußerungen zu seinen Werken gegensätzliche Begriffspaare verwendet wie Rationalität und Irrationalität, Ordnung und Chaos, Struktur und Freiheit, Hierarchie und Offenheit, Yin und Yang, Anziehung und Abstoßung, Idyll und Katastrophe, tydelighed [Klarheit] und interferens [Mehrdeutigkeit], vækst [Wachstum] und misvækst [Wucherung]. „Die Spannungen in Nørgårds Musik rühren von diesen gegenläufigen Tendenzen her oder, um die Formulierung des Komponisten aufzugreifen, sie verkörpern die ‚Interferenz‘ zwischen distinkten Arten des Materials. Heilung, Holismus, Fraktale und Metaphysik sind nur einige der Komponenten seiner Weltsicht mit unbegrenzten Ausdehnungsmöglichkeiten. Über die Jahre hat sich Nørgård mündlich oder schriftlich zu jedem denkbaren Thema geäußert. Weil eben (fast) alles Erdenkliche für ihn von Interesse ist, vermag jedes Thema Teil seines Universums zu werden. Was jedoch nicht heißt, dass er John Cages Ästhetik des Zufalls billigen würde. Die Balance zwischen System und Chaos, zwischen Rationalem und Irrationalem, bleibt ein Wesenszug seines Schaffens, ohne dass er jemals einer Philosophie des Mittelwegs nachgeben würde. Tatsächlich übertritt Nørgård ...